Auf die Spuren des Bauhauses, seiner Ursprünge und Wegbereiter begab sich der Verein „Freunde und Förderer Dieselkraftwerk Cottbus des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst“ Ende April mit seiner ersten Kunstfahrt im Jahr 2019. 25 Mitglieder des Vereins trafen sich schon am zeitigen Morgen vor dem BLMK im Dieselkraftwerk, um mit dem Bus die Fahrt nach Weimar anzutreten – jenem Ort, der vor 100 Jahren die Wiege des Bauhauses gewesen ist. Nicht von ungefähr, denn das ernestinische Großfürstentum Sachsen-Weimar-Eisenach hatte sich schon weit früher für die Förderung von Geisteswissenschaft, Kunst und Handwerk eingesetzt und das thüringische Weimar zu einem Ort gemacht, der offen für moderne Entwicklungen blieb und damit gelegentlich sogar seiner Zeit ein Stück voraus war.
Auch das Neue Museum Weimar, das die Fördervereinsmitglieder zunächst besuchten, geht auf einen Vertreter dieser Linie, Großherzog Carl Alexander, zurück. Es war 1869 als Großherzogliches Museum eingeweiht worden, erlebte seine Blüte nach der Jahrhundertwende, wurde von den Nationalsozialisten zweckentfremdet und nach dem Zweiten Weltkrieg vollständig vernachlässigt. Erst nach seinem Wiederaufbau konnte es 1999 als Neues Museum erneut eröffnet werden, pünktlich in dem Jahr, in dem Weimar Weltkulturhauptstadt wurde.
„Alleskünstler“ van de Velde im Fokus
In diesem Jahr feiert das Museumsgebäude sein 150. Jubiläum und widmet sich in der neuen Dauerausstellung „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“ den Wegbereitern des späteren Bauhauses. Vor allem dem Belgier Henry van de Velde, der mit seinem „Neuen Stil“ die Verknüpfung von Kunst und Alltag, von Zweckmäßigkeit und Ästhetik, Design und Handwerk anstrebte, wird im Neuen Museum viel Platz eingeräumt. Zu sehen sind seine fein ausgearbeiteten Architektur-Gestaltungsentwürfe – auch für den geplanten aber nie umgesetzten Umbau des Museumsgebäudes, dazu von ihm entworfene Kleidung, Möbelstücke und ganze Interieurs für Salons, Esszimmer und Gewerberäume. Passend dazu – in einem blauen Salon mit Petersburger Hängung arrangiert – ist zeitgenössische impressionistische und neoimpressionistische Kunst zu sehen. Sie stammt zum großen Teil aus Ankäufen des Museums unter Leitung von Harry Graf Kessler. Darunter sind neben Werken von Monet, dem frühen Max Beckmann und Théo von Rysselberghe auch jene Aktstudien von Auguste Rodin, deren Ausstellung 1906 zu einem öffentlichen Skandal und schließlich zum Bruch zwischen Harry Graf Kessler und Großherzog Wilhelm Ernst führten.
So vorbereitet wechselte die Besuchergruppe aus Cottbus nun ins nur wenige hundert Meter entfernte, erst in diesem Jahr errichtete Bauhausmuseum, das mit seinem Inhalt direkt an die Arbeiten von van de Velde und der Schüler der von ihm ins Leben gerufenen und geleiteten Kunstgewerbeschule anschließt. Seinem Nachfolger Walter Gropius gelang 1919 die Zusammenführung von Kunst- und Kunstgewerbeschule unter einer gemeinsamen Lehre der freien und angewandten Kunst. Nach Ende des Ersten Weltkrieges war die Zeit war reif, waren der Wunsch und die Vision greifbar, einen verantwortungsvollen, ästhetisch gereiften und sich weiter entwickelnden „neuen Menschen“ zu bilden.
Bauhaus in allen Bereichen des Lebens
Das Weimarer Bauhaus-Museum – selbst ein sachlich-funktionaler Bau mit lichtdurchflutetem Foyerbereich, dem eine Spiegel-Netz-Installation noch mehr Weite verleiht – begleitet den Besucher sehr detailreich und mit einzigartigen Exponaten durch die Vielfalt der Gedanken- und Gestaltungswelt des Bauhaus. Sie vermittelt audiovisuell einen zeithistorischen und künstlerisch-komplexen Eindruck des „goldenen Zeitalters“ der Moderne. Da werden Filmsequenzen aus Oskar Schlemmers Triadischem Ballett an die Wand geworfen, der das Bild vom Menschen in der industriellen Maschinenwelt mit Materialien wie Metall und Kunststoff auf die bizarren Kostüme und die Bewegungen der Tänzer übertrug. Da sind Teppiche von Gunta Stölzl und Gertrud Arndt zu sehen, Möbel von Mies van der Rohe, die Teekanne von Marianne Brandt, der Lattenstuhl und der Stahlrohrsessel von Marcel Breuer sowie seine Weiterentwicklungen, natürlich der Frankfurter Stuhl, das meistverkaufte Bauhaus-Möbelstück überhaupt, und die berühmte Wagenfeld-Tischlampe mit gläsernem Kugelkopf und Glasfuß. Den bildnerischen Teil der Bauhaus-Moderne repräsentieren Bilder und Grafiken von Paul Klee, Lyonel Feininger und anderen.
So interessant und anschaulich die zweimal 40 Minuten Führung durch beide Museen waren, die Zeit reichte beileibe nicht, die ganze Fülle dieser beiden Ausstellungen angemessen zu erfassen. Sie hinterließen jedoch einen Eindruck, der Lust auf mehr und auf eine individuelle Wiederkehr in die Goethe- und Bauhaus-Stadt Weimar macht.