Im Rahmen des Projektes „Unbekannte Moderne“ des Landesmuseums für Moderne Kunst (BLMK) sind Kunstfreunde jetzt eingeladen, auch auf eigene Faust auf Spurensuche und Entdeckungsreise in die nähere und weitere regionale Umgebung zu gehen. Ein gleichnamiges deutsch-polnisches Reiselesebuch – herausgeben von Museumsdirektorin Ulrike Kremeier in Kooperation mit dem Institut für Neue Industriekultur (INIK) GmbH und gefördert durch die Euroregion Spree-Neiße-Bober – ist seit Mitte Juni im BLMK im Cottbuser Dieselkraftwerk erhältlich. Der Verein „Freunde und Förderer Dieselkraftwerk Cottbus des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst“ e.V. hat das Buchprojekt ebenfalls unterstützt und zur Finanzierung der hierfür angefertigten künstlerischen Fotografien beigetragen.
37 Orte beiderseits der Neiße
Das Buch verweist auf insgesamt 37 Orte beiderseits der Neiße, die für verschiedene Entwicklungsstadien der Moderne in den 1920er und 1930er Jahren stehen, darunter auch das Dieselkraftwerk selbst, das 1926 von Werner Issel entworfen wurde und heute mit seiner sachlichen Fassade aus bräunlich bis gelb gefärbten Eisenklinkern und den hohen schmalen Fenstern zu den besonderen architektonischen Sehenswürdigkeiten von Cottbus gehört. „Dies ist nur eine Auswahl der empfehlenswerten Orte der Moderne“, sagt Ulrike Kremeier. „Wir hatten viel mehr. Das Buch hätte auch locker doppelt so dick sein können.“ Und sie betont, dass es den Machern trotz des Bezuges zum Bauhausjahr nicht darauf angekommen sei, einem Markenstempel „Bauhaus“ nachzuspüren, sondern vielmehr das in der Region zu finden, was die Bauhaus-Bewegung beeinflusst hat oder von ihr beeinflusst worden ist, die Frage also nach der „Zukunft aus der Provinz“ zu stellen.
„Eine ziemlich coole Region“
Lars Scharnholz, Geschäftsführer der INIK GmbH, kann hier auf ein besonders interessantes Beispiel in Guben (heute Gubin) verweisen. Noch bevor Ludwig Mies van der Rohe der bekannte Bauhaus-Architekt wurde, gab er in der Neißestadt dem Landhaus Wolf Gestalt – einem kubischen Klinkerbau mit Terrassen an einem Hang, der einen weiten Blick über den Fluss mit dem Theater auf der Neißeinsel und die Stadt erlaubte. „Das war eine Sprache, die van der Rohe in Guben das erste Mal ausprobierte und die er später mit zunehmender Transparenz und Offenheit seiner Landhausbauten perfektionierte“, sagt Scharnholz und nennt weitere klingende Namen von Architekten, die in der Lausitzer Region ihre Spuren hinterlassen haben wie Max und Bruno Taut oder Ernst Neufert: „Man findet entlang der Neiße eine hohe Dichte von Orten, die Ausdruck des Neuen Bauens sind und die vom Innovationsgeist der 20er und frühen 30er Jahre zeugen. Das war eigentlich eine ziemlich coole Region, diese Lausitz.“
Die reich bebilderten und mit viel Informationen über den bauhistorischen Kontext versehenen Reiseempfehlungen führen in Etappen von Senftenberg über Welzow und Burg nach Cottbus, von Forst nach Guben und über die Grenze nach Gubin, und von Zielona Góra über Trzbiechów mit dem beeindruckenden Sanatoriumsbau nach Zbaszynek, und schließlich auch nach Frankfurt (Oder).
Für den Großteil der Fotografien im Reisetagebuch wurden verschiedene zeitgenössische Künstler gewonnen, die mit ihrem jeweils ganz eigenen Blick die ausgewählten Orte in Szene setzen. Ein Teil dieser Werke wird auch im BLMK gezeigt werden, kündigte die Museumsdirektorin an. Im Herbst wird das BLMK außerdem mit fünf Ausstellungen an den Standorten in Cottbus und Frankfurt (Oder) das Thema „Unbekannte Moderne“ erneut aufgreifen.