Dem Bauhausjahr sei Dank entdecken auch Städte in der Lausitz, dass sie – wenn nicht schon eigenes Bauhausarchitektur, so doch auf eine ganze Reihe vorzeigenswerte Orte und Spuren des Neuen Bauens und der Moderne verweisen können. Manche Städte waren immerhin auch Wirkungsort von Bauhaus-Lehrern oder -Schülern. Weißwasser kann hier auf zwei verweisen: Den Architekten Ernst Neufert und den Glas-Designer Wilhelm Wagenfeld (Sie wissen schon: die berühmte Lampe).
Im Rahmen des Projektes „Der Mensch – das Masz aller Dinge“ ließ man in Weißwasser die beiden Herren schauspielerisch wieder lebendig werden und sich coram publico in eine Auseinandersetzung um die hohen ästhetischen Ansprüche des Bauhauses und deren späteren Verselbständigung bis hin zur Vereinnahmung im Nationalsozialismus (Neuferts schlichte Zweckarchitektur soll auch Vorlage für spätere KZ-Lagerbauten gewesen sein) verwickeln.
Glasfachschule und Volkshaus
Die Weißwasseraner Stadtspaziergänge haben aber vor allem den Zweck, Orte der Moderne, die sonst in der Stadt leider ein kaum beachtetes Dasein führen und ungenutzt dem Verfall preisgegeben sind, wieder ins Licht zu rücken. Da ist die alte Glasfachschule – ein Bauensemble auf weitläufigem Gelände mitten im neuen Stadtzentrum, aber von Hecken, Büschen und Bäumen gut, vielleicht zu gut versteckt. Da ist das Volkshaus mit seiner langen Geschichte. In den 1920-er Jahren wurde es von Emil Lange im Auftrag der Gewerkschaft der Glas- und Keramikarbeiter entworfen und umgesetzt. Seitdem und bis in die frühe Wendezeit hinein diente es mit seinem großen Saal und der Kellerbar als Veranstaltungsort und als Haus der Vereine. Inzwischen ist es so baufällig, dass man den Besuchern des Stadtspaziergangs nur Einlass in das Foyer und einen Blick von dort in den Saal gewähren konnte.
Raumhöhe an Arbeitern gemessen
Und da ist schließlich das so genannte Zentrallager – ein von Ernst Neufert entworfener Bau der klaren und sachlichen Form. Früher stapelte sich hier in Räumen und Regalen, die in ihrer Höhe exakt auf das durchschnittliche Maß eines Arbeiters bemessen waren, die Produktion der vielen Weißwasseraner Glashersteller, um vom Eisenbahngleis direkt neben dem Zentrallager zu Kunden in aller Welt gebracht zu werden.
Für den Besucher außerhalb des Stadtrundgangs sind diese Orte freilich nur von außen zu sehen, aber zusammen mit den Telux-Sälen, den beiden Wassertürmen am Bahnhof und an der Schwimmhalle, dem Boulevard und einigen Orten der alten und neuen Moderne mehr, lässt sich auch so der inspirierende Charme dieser Stadt entdecken.